Begleitung von Trans* menschen von Psychotherapeutin Lena Dierksmeier

In diesem Gastbeitrag schildert Luca, vor welchen Herausforderungen er auf seinem Transweg stand und warum es so wichtig ist, dass man zu sich selber steht und das Trans-Sein als Chance erkennen sollte.

Das Trans-Sein als Geschenk

Hi, ich bin Luca und ich bin ein Transmann und um ehrlich zu sein, betrachte ich das als ein Geschenk. Du denkst jetzt vielleicht, weshalb sollte ich diesen schweren Weg als Geschenk betrachten? Nun ja, es hat schon so seine Vorteile, sowohl die weibliche als auch die männliche Seite kennengelernt zu haben, im Gegensatz zu einem Cis-Mann. (Ein biologischer Mann, der so geboren wurde.)

Das Trans-Sein und eine katholisch-konservative Erziehung

Falls du jetzt denkst, ich habe immer das Gute in den meisten Dingen gesehen, dann liegst du falsch. Denn meine Familie ist sehr konservativ und streng katholisch, dementsprechend bin ich auch so erzogen worden. „Was sollen denn die anderen denken??“

Hierzu habe ich ein super Beispiel: Ich bin dazu auch noch schwerhörig und wollte als damals kleines Mädchen einen Zopf tragen. Ich fand das so cooler, denn kurze Haare durfte ich nicht tragen und mit einem Zopf sieht es wenigstens so aus als hätte ich weniger Haare. Das durfte ich natürlich auch nicht, denn schließlich würde man dann meine Hörgeräte sehen. Die sollen bloß verdeckt bleiben, denn… was sollen denn die anderen denken.

Was man vom Elternhaus mitnimmt, so verhält man sich auch in der Schule; klein, still und zierlich… Ich weiß noch, als ich in der dritten Klasse war, fragte ich meine Lehrerin, ob ich nach der vierten Klasse in die Realschule dürfte. Ihre Aussage war, dass ich das ich niemals schaffen würde, schließlich sei ich ja schwerhörig. Ja, da haben wir es, immer schön das Mögliche unmöglich machen. „Du kannst das nicht!“, „Du schaffst das nicht!“ und vor allem: „Was sollen die anderen denken!“ 

Die Einzige, die immer ein bisschen anders war, war meine Mama. Als ich drei Jahre alt war, stand ich im Garten und habe die Hose runtergezogen und meine Mama rief vom Küchenfenster aus: „Was machst du da??“. Ich antwortete voller Stolz: „Mama, Mama, schau mal, ich kann pinkeln wie Domenico!“ (Mein Cousin) Sie lachte, auch wenn es eine Sauerei war, denn logischerweise hatte ich mich vollgepinkelt. Mein Cousin war cool, er durfte so vieles, was ich auch machen wollte.

„Aber ich war doch ein Mädchen! Ich meine… was sollen denn die anderen denken?“

Um genau zu sein, habe ich gefühlt 27 Jahre lang das Leben so gelebt, wie es andere gerne gehabt hätten. Ich war anders und ich habe auch immer anders gehandelt als andere, dennoch wurde ich ständig zurückgezogen. „Wir kümmern uns um dich!“, „Du schaffst das nicht!“, usw.

Waren’s nicht die Eltern, war’s der Freundeskreis, war es nicht der Freundeskreis, waren es die Arbeitskollegen; ein ständiger Kreislauf, im Hamsterrad gefangen. Einmal hatte ich sogar versucht meiner Ex-Freundin zu verklickern, dass ich vielleicht Trans bin. Indem ich sie fragte: „Was würdest du tun, wenn ich Trans bin?“, antwortete sie: „Dann weiß ich nicht, ob ich noch mit dir zusammen sein könnte!“ 

Jep… somit war das Thema dann vorerst mal auch Geschichte…

Wie ich den Transweg geschafft habe

Sicher willst du wissen, wie ich es geschafft habe, von all diesen negativen Gedanken und dieser Unterdrückung wegzukommen. Es gab einen Tag in meinem Leben, an dem es Klick gemacht hat. Erstmals habe ich mich von allen abgeschottet: Keinen Kontakt zu niemandem gehabt, der Freundeskreis war weg, die erste große Liebe war weg und das Mädchen, dass ich zu der Zeit toll fand und mit der ich ein Verhältnis hatte, hat meine beste Freundin bevorzugt, die damit unsere 10-jährige Freundschaft auf’s Spiel gesetzt hatte. Perfekt, um das Leben aufzugeben, oder?

Ja, das dachte ich tatsächlich auch, aber ein einziges Video hat sich schicksalhaft an diesem Tag auf meinen Bildschirm geschlichen. Wie? Keine Ahnung, weiß ich nicht mehr. Es ging um die vier Menschentypen. So ein verrückter Typ, der diese vier Menschentypen in ein Tiermodell verpackt hat. Dieses Video gibt es heute noch. Tobias Beck heißt der verrückte Typ, ein Motivationsredner. Zum ersten Mal kam ich in Verbindung mit dem Thema der Persönlichkeitsentwicklung. Schade eigentlich, ich finde nämlich, das Thema sollte schon in der Schule gelehrt werden.

Gleichzeitig hat mir eine Freundin, mit der ich immer sporadisch Kontakt hatte, ein Bild geschickt… Ein vorher-nachher-Bild von einem Transmann. Und genau in diesem Moment bin ich in Tränen ausgebrochen. Als wüsste sie, wer ich bin. Sie ist übrigens meine Trauzeugin und war die Einzige, die damals trotz sporadischem Kontakt immer loyal und ehrlich war und auch hinter meinem Rücken genau das sagte, was sie vor meinem Rücken sagte. (Davon gibt es leider zu wenig Menschen.)

Über die Therapie, Testosteron und Einbürgerung

So nahm alles seinen Lauf, der erste Kontakt zum Psychiater, sechs Monate Wartezeit… Ich sag’s dir, es kam mir vor als wären es Jahrzehnte gewesen. Dann hat er mir noch gesagt, dass ich sechs Monate in Behandlung sein muss, um Testosteron zu bekommen. WAAAAS? Nochmal Jahrzehnte? 

Insgesamt waren es 18 Monate bis zum Indikationsschreiben für die Op-Anträge, was bei mir genau genommen 21 Monate waren, denn schließlich musste ich mich laut ihm vor all meinen Mitarbeitern outen (350 Männer), damit ich den Alltagstest auch normgerecht ausführen könne.
Ich versuchte irgendwie die Zeit zu überbrücken und es gelang mir. Ich machte zu dem ungefähr ausgerechneten Zeitpunkt, an dem ich Testo bekommen würde, vorzeitig Termine beim Endokrinologen. Außerdem ließ ich mich einbürgern, damit ich die Namensänderung problemlos durchführen konnte, mit einer deutschen Staatsbürgerschaft vor dem deutschen Amtsgericht. Dazu dokumentierte ich auch alles Schritt für Schritt auf meinem Youtube-Kanal, um es anderen einfacher zu machen und etwas Gutes in der Welt zu tun.

Und zack! Nun bin ich schon seit dreieinhalb Jahren auf Testo. Die Zeit rennt wirklich umso älter man wird und umso schneller läuft die Uhr. Ich bin mittlerweile schon beim Penoidaufbau (Operative Geschlechtsangleichung).

Das Leben ist zu kurz, um es für anderen zu leben!

Was ich dir in diesen Zeilen mitgeben möchte ist, dass an dem Satz, „was dich nicht umbringt, macht dich nur noch stärker“, etwas Wahres dran ist. Er mag hart sein, aber keiner hat gesagt, dass das Leben einfach ist. Es ist nur das, was du daraus machst und… scheiß drauf was die anderen denken! 

Danke, dass du bis hierhin gelesen hast. Egal, ob du dich aktuell auf dem Transweg befindest, ob du noch am Anfang stehst oder diesen Beitrag rein aus Interesse gelesen hast. Ich hoffe, ich konnte dir damit aufzeigen, dass das Leben zu kurz ist, um es für die anderen zu Leben. Es gibt leider viel zu viele Menschen, die ihr Leben leben als hätten sie einen zweites Leben im Koffer, doch das hat keiner. Und ich bin mir sicher, dass du jetzt deinen Koffer beiseite legst und dein Leben lebst! 

Herzlichen Dank an Lena, für diesen Gastbeitrag, den ich hier leisten durfte. Es ist mir eine Ehre und hätte ich die Möglichkeit gehabt eine Therapie zu machen, dann wäre meine Entscheidung auf Dich gefallen, keine Zweifel. Du bist ein Mensch, der diesen Job voller Leidenschaft ausübt und ich hoffe auf weitere Zusammenarbeit mit dir! Danke, dass es dich gibt!

 

-Luca

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